Kastration - Versuch einer Entscheidungshilfe - Seite 4
Komplizierter liegen die Verhältnisse bei den weiblichen Hunden. Dazu trägt vor allem bei, dass wir hier mit mehreren Sexualhormonen zu tun haben, die im Laufe des sogenannten Läufigkeitszyklus zu unterschiedlichen Zeiten ausgeschüttet werden. Ohne hier in die Details einsteigen zu wollen, sei kurz auf das Phänomen der sogenannten Scheinschwangerschaft eingegangen. Es ist ein generelles Merkmal aller Hundeartigen, nicht nur des Haushundes, dass eine Hündin nach erfolgter Läufigkeit zunächst in den Zustand einer Scheinschwangerschaft versetzt wird. Dies ermöglicht den Hündinnen eines Rudels, auch dann in der Welpenpflege und Jungtierbetreuung mit eingesetzt zu werden, wenn sie selbst keinen Nachwuchs haben. Dieser zunächst durch das Scheinschwanger- schaftshormon Progesteron ausgelöste Zustand der Scheinschwangerschaft ist unter anderem verantwortlich für die etwas ruhigere, oft auch anlehnungs- und nähebedürftigere Verhaltensänderung der Hündin nach der sogenannten Stehphase, also der Zeit des Eisprungs und der Begattungsfähigkeit. Nach ca. 2 Monaten wird dieser, vom Schwangeschaftshormon Progesterongesteuerte Teil der echten Scheinschwangerschaft abgelöst von dem Teil, der den Hundehaltern/innen viel stärker auffällt, nämlich den vom Elternhormon Prolaktin gesteuerten Teil, den man viel besser als Scheinmutterschaft bezeichnen sollte. Hierbei kommt es dann zu den bekannten Erscheinungen von Gesäugevergrößerung, Milchproduktion, Qietschtier hüten, Wurfhöhlen graben und anderen. Weniger bekannt ist, dass dieser zweite Teil, die Scheinmutterschaft, auch ohne vorangegangene Läufigkeit auftreten kann, nämlich dann wenn z.B. die Besitzerin schwanger wird, ein neues Baby oder ein neuer Hundewelpe ins Haus kommt, oder sonst in der unmittelbaren familiären Umgebung der Hündin irgendwas passiert, was sie geruchlich, durch Umgang mit einem Welpen oder in anderer Weise verhaltensbiologisch in Brutpflegestimmung versetzt.
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Häufig geschieht so etwas auch bei kastrierten Hündinnen. Dies ist verständlich, wenn man weiß, dass das Elternhormon Prolaktin eben aus der Hirnanhangdrüse stammt, und dass diese Hormonproduktion über Sinnesorgane oder andere Zentren des Gehirns auch direkt und ohne Verknüpfung mit den Geschlechtsorganen angesteuert werden kann. Ebenso ist, wie oben bereits beschrieben, zu beachten, dass die Nebennierenrinde der Hündin ebenfalls Sexualhormone produziert und zwar vorwiegend Testosteron. Es gibt bekanntermaßen Hündinnen, die einen sehr männlichen Typ repräsentieren, dies kann bis zum Beinchenheben beim Urin absetzen gehen, aber auch die Gestalt, die Bemuskelung, den Knochenbau und das Verhalten betreffen. Diese, meist durch vorgeburtliche Einflüsse während der Schwangerschaft vorbereitete etwas männlich wirkende Hündin wird durch eine Katsration eine ganz andere Entwicklung nehmen als ihre typisch weibliche, eher Östrogen gesteuerte Artgenossin. Daraus ergeben sich für die Hündin folgende Erwartungen, die auch wiederum durch die statistischen Ergebnisse der Bielefelder Studie und anderer Veröffentlichungen gestützt werden.
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