-
Ebenso wie beim Rüden sind selbstverständlich Verhaltensweisen des Jagens und des Beutefangs völlig unabhängig von der Kastration.
-
Das Auftreten der unangenehmen, für Halter/innen und bisweilen auch Hündin störenden Erscheinungen der Scheinschangerschaft und vor allem der Scheinmutterschaft ist nur dann unter Kontrolle der Sexualhormone und damit durch die Kastration beeinflußbar, wenn es sich um das regelmäßige zyklusbedingte Verhalten handelt. Anwesenheit von Babys, schwangeren Familienmitgliedern oder ähnlichen lässt die Scheinmutterschaft auch bei der Kastration noch auftreten.
Bei Hündinnen wird sehr oft als Begründung für eine vorbeugende Kastration die angeblich sehr starke Verringerung von Tumorrisiken angegeben. Nähere Untersuchungen und Statistiken von Wehrendt (zitiert und ausführlich behandelt bei Niepel 2007) lassen hier jedoch ein ganz anderes Bild entstehen. Risikofaktoren für das Entstehen von Tumoren, insbesondere Gesäugetumoren, sind nicht primär das Vorhandensein der intakten Geschlechtsorgane. Vielmehr sind Fettleibigkeit und zu eiweißreiche Ernährung im ersten Lebensjahr oder das wiederholte hormonelle Unterdrücken der Läufigkeit hier als Risikofaktoren viel höher zu bewerten. Und die Auftretenswahrscheinlichkeit von diesen Tumoren in der Gesamtmasse der unkastrierten Hündinnen liegt nur bei weit unter 10%, so dass die dann im Folgenden immer genannten Zahlen von 80%iger Reduktion des Tumorrisikos auch in ganz anderem Licht zu betrachten ist.
|
|
 |
Abschließend sollte auch auf die sogenannte Leidensentstehung durch unerfüllte Sexualität bei Hunden nochmals eingegangen werden. Diese Erwartung, dass Hunde, egal welchen Geschlechts, leiden würden, wenn sie ihren Sexualtrieb >>nicht ausleben können<<, beruht auf falschen Einschätzungen. Untersuchungen an ausgewilderten Haushunden, aber auch vielen Wildhundarten zeigen eindeutig, dass die
Mehrzahl der Rudelmitglieder in einem Familienverband kaum jemals bis gar nicht die Möglichkeit zur eigenen sexuellen Betätigung hat. Die Fortpflanzung ist nun mal bei Hundeartigen sehr stark mit der Rangposition gekoppelt. Daher ist für Hundeartige im Gegensatz zu unseren äffischen Verwandten (deren stammesgeschichtliches Erbe wir immer noch in uns tragen) völlig normal, dass ca. 80% der Erwachsenen in einem Rudel keine sexuelle Befriedigung erleben können. Gekoppelt mit der Tatsache, dass Sexualität wegen der kurzen Läufigkeitszeiten ohnehin nur zu einem sehr kleinen Teil des Jahres möglich wäre, führt dies bei Hundeartigen eben nicht zu einem erkennbar unzumutbaren Leidensdruck. Demgegenüber steht die wie oben gezeigt, doch sehr starke Beeinflussung von Verhalten und Körperbau eines Hundes nach der dauerhaften Entfernung der Geschlechtsorgane. Eine Kastration ist nun mal ein tiefgreifender Eingriff in den Hormonhaushalt und damit auch in verschiedene Verhaltens- und Persönlichkeitsbereiche des Tieres und sollte keineswegs leichtfertig, schon gar nicht aus Bequemlichkeit oder vorbeugend befürwortet werden. Selbstverständlich ist, dass eine Verhaltenskontrolle der Hunde insbesondere bei Läufigkeiten in ihrem normalen sozialen Umfeld erfolgen muss, um wirklich die Entstehung unerwünschten Nachwuchses zu verhindern. Dies sollten Hundehalter/innen jedoch auch ohne die Zwangsmaßnahme eines chirurgischen Eingriffs noch bewältigen können. Ebenso ist klar, dass bei Auffälligkeiten, insbesondere bei Hündinnen, bei sich stets verkürzenden Läufigkeits-Intervallen oder bei massiven, mit Entzündungen und anderen krankhaften Veränderungen z.B. des Gesäuges einhergehenden Scheinschwangerschafts- und Scheinelternschaftsproblemen ein Tierarzt konsultiert werden sollte.
Glücklicherweise gibt es mittlerweile auch viele tierärztliche Praxen, in denen die Pauschalkastration nicht mehr empfohlen wird und die sich auch weigern, Frühkastration vorzunehmen. Allen Hundehaltern/innen kann nur empfohlen werden, sich solche Praxen für die Behandlung ihres vierbeinigen Familienmitglieds auszusuchen und sich die Entscheidung für oder gegen die Kastration nach reiflicher Diskussion unter Berücksichtigung der oben genannten und anderer allgemein zugänglicher Argumente intensiv zu überlegen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. |